LUDWIGSHAFEN GROßE GEFÜHLE
Spektakulär: Mischa Maisky mit dem Prague Philharmonia und Alfonso Scarano beim Konzert in Ludwigshafen
Zum Ausklang der Besuch des großen Virtuosen. Sicher sind Steven Isserlis und Miklós Perényi, die beiden vorangegangenen Konzerte des in dieser Saison dem Cello gewidmeten Ludwigshafener BASF-Zyklus „The Big Four“ bestrittenhaben, auchzujedem Akrobatenstreich fähige Ausnahmekönner. Nur stand bei ihnen das spektakuläre Moment nicht derart im Vordergrundwie jetzt bei Mischa Maisky. Den Eindruck des Instrumentalmagiers, eines Nachfahren Paganinis, suggerierte schon das Outfit des russischen Spitzencellisten. Mit rauschendem Bart und wallender weißer Mähne, in leicht exzentrisch farbenfroher Gewandung begleitete er mit beträchtlichem und expressivem gestisch-mimischem Aufwand das musikalische Geschehen. So dirigierte er in den Pausen vor und zwischen seinen Soloeinsätzen mit, was wohl mehr dem eigenen Eintauchen in die Musik diente als der Koordinierung des Orchesterparts, da die begleitende Prague Philharmonia und ihr Dirigent Alfonso Scarano sich als sattelfest agierende Partner erwiesen. Was Maisky produziert hat, war freilich sehr begeisternd. Brillanter lassen sich Haydns erstes Cellokonzert in C Dur (Hob. VIIb: 1) und ganz besonders Tschaikowskys Variationen über ein Rokoko-Thema (A-Dur, op. 33) wohl kaum vorstellen, als sie diesmal dargebotenwurden. Das von letzterem Stück geforderte Höchstmaß an spielerischer Bravour bedeutet für Maisky offenkundig eine Selbstverständlichkeit. Mit Absolut spielerischer Leichtigkeit servierte er sämtliche noch so halsbrecherischen Passagen, alle Sprünge und Läufe. Seine Bogentechnik kann nur als phänomenal bezeichnet werden, was auch beim Haydn-Konzert sehr zu bewundern war. Ebenfalls Seltenheitswert ist der von Maisky produzierten makellosen Tonqualität in stratosphärisch hohen Cellolagen zu bescheinigen. In Max Bruchs Kol nidrei – jüdisches Abendgebet am Versöhnungstag (Jom Kippur) – sang das Cello in herrlich ausdrucksvollen, anrührenden Tönen. Was auch für die Zugabe, ein Cello-Arrangement von Lenskys Arie aus Tschaikowskys „Eugen Onegin“, galt. Ob man da mit jedem Drücker und Schweller einverstanden sein musste, blieb dem Zuhörer überlassen. Ein wenig Sentimentalität durfte dem Vollblutmusiker mit überschäumendem Temperament wohl gegönnt werden, wie auch die Überschallgeschwindigkeit seines Parforce-Ritts in den beiden Ecksätzen des Haydn-Konzerts. Zur Entstehungszeit des Stücks wäre sie allerdings nichtmöglich gewesen. Am Anfang und am Ende zwei Jugendwerke: Mendelssohns erste Streichersinfonie in C-Dur, eine eher akademische Kontrapunktübung des halbwüchsigen Eleven, und Schuberts fünfte Sinfonie (B-Dur, D 485). Mendelssohn wurde einwandfrei präsentiert; die Schubertsche Sinfonie indes erhielt durch Anmut, Grazie, Eleganz und Feinschliff des Vortrags ihre Prägung. Gabor Halasz